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Meine Kindheit auf einem Bauernhof

Autor/Quelle: Birgit Krebs, Hasseldieksdammer Rundbrief 3/2009

Aufgewachsen bin ich auf dem Hof Dahl in H`damm, meinem Geburtshaus sowie das meiner Mutter, meines Großvaters Fritz Dahl und Urgroßvaters in der Melsdorfer Str. 18-22 (heute ca. auf dem Grundstück Hofholzallee 135). Das Wohnhaus wurde um 1860 im dänischen Stil erbaut. Mein Ururgroßvater Hans Friedrich Dahl erwarb es um 1870. Der Hofplatz vor dem Haus wurde von drei großen Linden umsäumt, rechts der reetgedeckte Kuhstall, daneben Schweinestall, links die große Scheune mit Deputatarbeiterwohnung und Garten. Die Scheune grenzte an die Mauern der Gastwirtschaft Waldesruh, damals existierte noch der große Tanzsaal an der Melsdorfer Str. Die Nachbarschaft von Waldesruh war spannend, weil 1. Mai, Himmelfahrt und Pfingstfeste ordentlich fröhlich gefeiert wurden

Linie 7 - Kieler Strassenbahn

Wohnhaus des ehemaligen Dahlschen Hofes – im Hintergrund die Erlöserkirche (Foto: B. Krebs)

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Hof Dahl: Kuh- und Schweinestall nach 1945 (Foto: B. Krebs)

Damals hatte H´damm noch einen überwiegend dörflichen Charakter. Der Hof Dahl bestand bis ca. 1959. Durch die neue Bebauung ist nichts mehr davon zu erkennen. Die Hofholzallee endete bis ca. 1960 an der Ecke Melsdorfer Str. 132 beim Bäcker Schurbohm. Wenn man nach Mettenhof wollte, führte die Straße an Waldesruh und Bauer Büll (lange Zeit danach Räucherkate Damlos) vorbei über den Mettenhofer Weg nach Alt-Mettenhof und Melsdorf. Ab Ecke Hofholzallee/Melsdorfer Str. führte ein schmaler Fußweg (sog. Schwarzer Weg) zur Straße „Am Wohld“ durch die Hofkoppeln des Bauern Dahl. Rechts wurde Getreide angebaut (heute Kirchengelände, Kindergarten und Bolzplatz), links weideten die Kühe (ca. 30) und mehrere Pferde. Hinter unserem Wohnhaus gab es einen großen Obstgarten, wo die köstlichsten Birnen-, Pflaumen, saftigsten Süßkirschen- und Apfelbäume standen. Alle Jahreszeiten boten der H`dammer Jugend viel Abwechslung.

Im Frühjahr spielten wir auf gefällten Bäumen „Ticker“ oder Verstecken. Und jedes Jahr wurden Krähen geschossen, das gefiel mir weniger. Auf den Straßen und unserem Hofplatz spielten wir „Völkerball“. Wenn im Frühjahr die Kühe auf die Weide kamen, machten sie Freudensprünge! Ab und zu durfte ich neben unserer Melkfrau den Melkwagen kutschieren und auch beim Melken helfen. Die Kuhkoppeln lagen verstreut, z.B. Hasseldieksweide (jetzt Rossgarten und Hasselteich) sowie Struckdieksweide (heute Wisentgehege) und die Hofkoppel, die sich bis zum heutigen AWO-Servicehaus erstreckte.

Die Äcker für Kartoffeln, Rüben und Getreide lagen in Voßhörn hinter der Tischlerei Weder (heute Sky-Markt und Berufsbildungswerk am Russeer Weg) und reichten bis zum Schießstand und heutigem Heizkraftwerk in Mettenhof. Weil die Bewirtschaftung durch die Verstädterung schwerer wurde, verkaufte mein Onkel ca. 1958 den Hof und Land an die KWG u. Landgesellschaft. Er erwarb dafür einen neuen Hof im Kreis Oldenburg/Holst.

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Blick vom Hof Dahl zum heutigen Kirchengelände ca. 1957 (Foto: B. Krebs)

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Bauernhof Dahl in der noch unverbauten Landschaft – aufgenommen vom Turm der Erlöser Kirche ca. 1960 (Quelle/Foto: Martin Lässig, Jahrgang 1932, aufgewachsen Am Wohld)

Unser Wohnhaus, so schön es von außen aussah, hatte innen wenig hauswirtschaftlichen Komfort. Zwar gab es von der Küche im Keller einen Speiseaufzug zum Esszimmer, aber keine Zentralheizung, nur Kachelöfen und keine Toilette im Haus, nur zwei „Plumpsklos“ auf dem Hof. Ich konnte kaum ohne Besen dorthin, denn vor dem Klo warteten oft ein bissiger Ganter (der auch manchen Postboten verschreckte) oder ein aggressiver Hahn. Dagegen waren unsere 2 Hunde harmlos.

Im Sommer wurden u.a. Gartenfrüchte geerntet und Heu eingefahren und Buschholz gehackt. Im Herbst wurde Erntedankfest gefeiert mit dem festen Personal und den zusätzlichen Helfern aus H´damm. Das war schön. Mit Erntekrone, Tanz zur Akkordeonmusik, Saft, Bowle, Bier und reichlich Kartoffelsalat mit Würstchen, und man vergaß nicht, im Gottesdienst für die Ernte zu danken.

Im Winter konnten wir auf dem zugefrorenen Teich (ungefähr zwischen den jetzigen Haltestellen Waldesruh gelegen) Schlittschuhlaufen und im Wald (Hofholz) Schlittenfahren auf der Engelsbahn und Todesbahn! Da die Melsdorfer Str. durch den Wald in Richtung Forsthaus Wittland wenig befahren war, rodelten wir manchmal bis zur Ecke Hofholzallee (Bäcker Schurbohm). Heutzutage stoppen zwei Eisenschranken aus verkehrssicheren Gründen die lustige Talfahrt. Alles hat seine Zeit!