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Der Julienluster Weg
Autor/Quelle: Walter Hase, Hasseldieksdammer Rundbrief 2/2005 und 3/2005
Die Geschichte des Julienluster Weges ist deshalb von Interesse, weil die Pflasterstraße unter Denkmalschutz gestellt wurde. Das Dorf Hasseldieksdamm grenzt an Kronshagen und an die Landeshauptstadt Kiel. Die Eingemeindung fand 1910 statt. Bis 1867 gehörte das Dorf zum Amte Kronshagen. Die Pflasterstraße ist 900 m lang.
Für die Wegeverhältnisse ist die geografische Lage von Bedeutung. Das Dorf liegt auf einer Endmoräne der letzten Eiszeit. Südlich zieht sich der Höhenzug vom Elandsberg (35,8 m) nach Westen hin und läuft aus. Im Norden sind die Erhebungen von Wittland/Heidenberg über Mettenhof zum Russeer Gehege um 27,5 m hoch. Zwischen diesen Höhen lagen die beiden flachen Fischteiche, die Mitte des 17. Jahrhunderts trocken gelegt und besiedelt wurden. Zwischen dem Struckdiek und dem Hasseldiek geht der Fahrweg durch den Uhlenkrog und das Hasseldieksdammer Gehölz in west-östlicher Richtung dahin. 1884 wurde er offiziell „Julienluster Weg“ benannt. Auf dem Quellgebiet der Struckdieksau liegt seit 1970 das Wisentgehege. Der ehemalige Hasseldiek, der früher größer als der Kleine Kiel war, wurde landwirtschaftlich und seit etwa 1860 gärtnerisch genutzt.
Wie waren die Wegeverhältnisse in dem großen Waldgebiet? Die Dorfstraße führte vom Dorfkrug, Dahls Gastwirtschaft, nach Süden zum Dorf Russee und von dort auf der alten Rendsburger Landstraße über Demühlen und Hassee in die Stadt Kiel. Wichtig war der zweite Weg nach Norden zum Amte Kronshagen. Der direkte Weg nach Kiel war der Kirchsteig und Fußweg durch den Wald, der später als Feldweg ausgebaut wurde. Denn früher ruhte der Verkehr zwischen den Dörfern auf Fußwegen. Die Kinder von Hasseldieksdamm benutzten noch 1872 den „Schulsteig“ über die Felder nach Russee/Demühlen. Im Landesarchiv fand ich das Schreiben von der Rentekammer in Kopenhagen.
Schreiben vom 12. Mai 1815:
„Unter dem 9ten d.M. hat die Königl. Rentekammer verfügt, daß nach erfolgter Erklärung der Dorfschaft Hasseldieksdamm der vom Königl. Forstamt gesperrte Fußsteig wieder eröffnet worden …
Wogegen erwähnte Dorfschaft auf alle übrigen Fußsteige durch das Hofholz Verzicht leistet und die in der Befriedigung an dem oberwähnten Fußsteig befindlich gewesenen Stegel auf einseitige Kosten wieder herstellen wollen.
Kiel, den 12ten Mai 1815 von Stolley
Seiner Hoch- und Wohlgebohren dem Herrn Cammerherrn, Hofjägermeister, Forstmeister und Oberförster von Warnstedt (LAS Abt.31 Holst 170-14/6)
(Stegel = Trittsteine, um den Grenzwall zu übersteigen)
Nach der Wegeverordnung vom 15. März 1787 muss ein Fahrweg 24 Fuß breit und mit den Seitengräben bis zu 32 Fuß breit sein. Die Seitengräben dürfen nicht zu steil abfallen. Bei einer schmaleren Fahrbahn können nicht zwei beladene Kornwagen aneinander vorbeifahren, ohne umzukippen. Am besten ist kiesiger Sand. Mooriger Boden ist mit Faschinen zu festigen. Für größere Strecken sind Steinpackungen notwendig. Der Bau einer Pflasterstraße konnte teuer zu stehen kommen, weil Facharbeiter dazu nötig waren. Da diese einen höheren Lohn als die Waldarbeiter bekamen, musste beispielsweise 1844 bei dem Ausbau der Straße von Eutin nach Lübeck ein höherer Lohn als die zu dieser Zeit übliche Taxe gezahlt werden. Früher wurden die Steine für den Wegebau auf den Feldern gesammelt und von Steinhauern im Tagelohn zu kleinen handlichen Stücken zerschlagen. Bei schwer beladenen Lastfuhrwerken hielten die Steinpackungen jedoch nicht sehr lange. Für feste Straßen kamen daher die rechten Facharbeiter in Frage, um die Steinbrücken oder „Steindämme“ herzurichten.
„In der Zeit um 1820 wurden die Pflasterarbeiten im Amte Kronshagen unter der Leitung des Steinbrückers Heinrich DELFS aus Hasseldieksdamm ausgeführt, einem Fachmann in der Herstellung von Straßenpflasterstrecken. Er wohnte in der 1791 gebauten Kate Melsdorfer Straße 30/32.“
(SCHÜTT, S.39)
Erst in den 1830er Jahren drangen Kohle und Eisen aus England in Schleswig-Holstein ein. Damit belebten sich Handel und Industrie und der Verkehr. Damit verband sich der Anstieg der Bevölkerung besonders in den Städten. Musterbeispiel ist Kiel. Die Zahl der Einwohner Kiels entwickelte sich wie folgt:
1803 | 7.075 Einwohner | 1855 | 16.274 Einwohner | |||||
1825 | 10.035 Einwohner | 1860 | 17.541 Einwohner | |||||
1830 | 10.033 Einwohner | 1864 | 18.770 Einwohner | |||||
1835 | 11.622 Einwohner | 1867 | 24.216 Einwohner | |||||
1840 | 12.344 Einwohner | 1871 | 31.764 Einwohner | |||||
1845 | 13.572 Einwohner | 1885 | 51.706 Einwohner |
Die Höchstzahl der Einwohner Kiels 1917 mit 243.585 Einwohner (LANGE, S.153).
Im Laufe der 1850er Jahre war die Bevölkerung der Altstadt bestrebt, aus der Enge in die benachbarten Gemeinden überzusiedeln und, wenn möglich, Gartenland zu erwerben. So stellten sich Bauern in Hasseldieksdamm und Hassee auf Gartenbau um. Genannt sei der Rosenkönig ALBERT, der Rosenzüchter. Damit steigerte sich der Verkehr und die Pflasterung des Weges durch den Wald konnte verantwortet werden.
Der Frage: Wann wurde die Pflasterstraße gebaut? ging ich nach und fand im Landesarchiv die Antwort.
Ich fand das Schreiben der Königlichen Wegeinspektion an die Forstverwaltung an das Königliche Amtshaus in Bordesholm vom 28. Oktober 1857.
„Die Instandsetzungsarbeiten auf der Wegestrecke durch das Hasseldieksdammer Gehege werden jetzt in einigen Tagen vollendet, und es ist daher dringend erforderlich, um der Wegestrecke mehr Luft zu geben und frei von Tropfenfall zu erhalten, da sowohl die Knicke am Gehege als auch die überhängenden Äste sobald als nur thunlich vom Forstwesen aufgehauen werden. Unter Hinweisung auf die §§ 149 und 221 der Wegeverordnung darf daher die Wegeinspektion das Königliche Amtshaus dienstergebendst ersuchen, den betreffenden Königlichen Forstbeamten gefälligst aufgeben zu wollen, schnellthunlichst die Auflichtung der Gehege nach Maßgabe der angeführten gesetzlichen Bestimmungen vornehmen zu lassen.
Unterschrift
Das Königlich Holsteinische Forst- und Jagdamt in Plön bestätigte das Schreiben der Wegeinspektion, daß die Aufräumungsarbeiten im Gehege durchgeführt werden.
gz. L. von COSSEL 4.11.1857″
Die Rentekammer in Kopenhagen war bestrebt, die Wege in Ordnung zu halten. Das geht aus der Anstellung von Wegewärtern hervor. So erhielt der Insten-Käthner Johann Friedrich BÜLLER vom Hofholz für die Unterhaltung der Wege durch das Hasseldieksdammer Gehege und das Hofholz pro 1. November 1856/57 unter dem heutigen Datum 12 Rht 77 ß auf dem Kronshagener Amtshause angewiesen. Schon im Jahre 1841 liegt ein Vertrag über Aufsicht des Weges vom 5. Oktober 1841 von der Rentekammer vor.
„Über Instandsetzung und Unterhaltung der von Cronshagen nach Hasseldieksdamm und von da über Uhlenkrog nach Kiel führenden, zwischen den Königlichen Gehägen liegenden 243 Ruthen langen Weges ist die Auszahlung veranlaßt worden… an Jürgen Friedrich BÜLLER am Hofholze. Der selbe Betrag wie 1857.“
Die Pflasterstraße wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer Asphaltdecke überzogen, für glattes Befahren. Im Jahre 1970 wollten die Kieler Stadtwerke für den Ausbau der Fernwärme die Leitung auf den Julienluster Weg verlegen, weil die Hofholzallee schon mit Leitungen ausgefüllt war. Jedoch der Landesdenkmalpfleger Gert KASTER sah mit Recht die alte Pflasterstraße als ein Kulturdenkmal an. Das wurde anerkannt und der Julienluster Weg als Kulturdenkmal unter Schutz gestellt. Die Asphaltdecke wurde entfernt, das Pflaster wiederhergestellt. Der Weg wurde zwar gesperrt, aber die Durchfahrt zu der Gärtnerei von 1868 freigegeben.
Der Name „Julienluster Weg“ beruht auf der Umbenennung von einer alten, 1792 konzessionierten Gastwirtschaft auf eine 1851 neu eröffnete Gründung. Alt eingesessen war die Gastwirtschaft „Uhlenkrog“ an der Kieler Stadtgrenze, wo heute die Waldorfschule steht (Vertrag von 1792). Im Jahre 1851 übernahm der Gastwirt Carl PEPPER den Krug. Doch nahm er Anstoß an dem Wort Uhlen (= Eulen) und beantragte die Änderung des Namens in „Julienlust“. Laut königlichem Dekret vom 26. August 1854 wurde die Namensänderung der Erbpachtstelle Uhlenkrog in Julienlust genehmigt.
Der Gärtner Richard BOLDT, der Nachfolger von Rosenkönig Albert, errichtete im Gehege ein kleines Cafe und vereinbarte mit dem früheren Wirt vom Uhlenkrog, F.H. WILL, der den Gastbetrieb aufgegeben hatte, den Namen „Julienlust“ zu übernehmen. 1896 erweiterte Boldt seine Gastwirtschaft mit folgender Anzeige:
Neu eröffnet „Julienlust“ – Gartenwirtschaft mit geräumiger Veranda und schattigem Garten. Reizend am Hasseldieksdammer Gehölz gelegen. Angenehmer Aufenthalt für Familien – Reelle und aufmerksame Bedienung. Breakverbindung ab Hotel Kaiser Friedrich (Wilhelmplatz)
Das beliebte Ausflugslokal wurde 1941 an die ELAC (Elektro-Acustik) verkauft, die das Lokal für italienische Gastarbeiter umbaute. Am 26. August 1944 wurde das Gebäude zerstört. 1999 errichtete die Stadt Kiel ein Gebäude für ihre Forstverwaltung.
Am westlichen Ende des Julienluster Weges in Hasseldieksdamm liegt die Gastwirtschaft (Dorfkrug) des alten Hans Heinrich KÄHLER, der die Schankkonzession am 9. Oktober 1802 erhielt. 1820 ging sie in den Besitz der Familie DAHL über (Schankkonzession 1824). In den 1840er Jahren wurde der Krug so bekannt und berühmt, dass er nur „de Pannkokenkrug“ hieß. In der Topographie vom Herzogtum Holstein von 1841 schrieb J.v. SCHROEDER, dass die Wirtin es verstanden hatte, so gut Pfannkuchen zu backen, dass sie unter diesem Namen überall bekannt war, nicht nur bei den Studenten.
Abschließend ist noch eines alten dritten Hotels zu gedenken. Es begann wie Julienlust mit einem Pavillon am Gehege Uhlenkrog mit kleinem Kaffeeausschank: das Gesellschaftshaus „Waldeck“ um 1900. Der Neubau begann 1911 mit Kegelbahn, Saal usw. Es entwickelte sich zur vornehmsten Gaststätte. Leider fiel es dem schweren Luftangriff vom 17./18. August 1944 zum Opfer. Auf diesem Platze wurde 1985 die Raphaelkirche errichtet.
So unterschiedlich war das Schicksal der Gaststätten an der Pflasterstraße Julienluster Weg. Im Ringhotel tischt Fischers Fritz frische Fische auf den Tisch.
Nachtrag
Übrigens war die Pflasterstraße besonders wichtig für das Hartsteinwerk Hasseldieksdamm, welches Johannes STRÖH 1904 gründete. Die Hofholzallee wurde erst 1912 angelegt. Die Produktion mußte einige Male unterbrochen werden. In den 1980er Jahren wurde das Werk abgerissen.