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Kirchengemeinde Hasseldieksdamm

Autor/Quelle: Werner Jensen,  Hasseldieksdammer Rundbrief 3/2003 und 4/2003
Quelle für Text und Bilder: Nordelbisches Kirchenarchiv (Propstei Kiel Nr. 944)

Die selbständige Ev.-Luth. Kirchengemeinde Hasseldieksdamm im Kirchenkreis Kiel gibt es erst seit dem 24.9.1952. Vorher kam es am 1.5.1951 zur Gründung des Seelsor­gebezirks Hasseldieksdamm-Mettenhof innerhalb der Kieler Gemeinde Vicelin 2. Damals umfaßte der Teil Mettenhof nur das 1939 entstandene Siedlungsgebiet Altmettenhof. Für diesen Seelsorgebezirk wurde eine Pfarrstelle eingerichtet, die der am 13.10.1919 in HH ­-Wilhelmsburg geborene Hans Emil Karl Schultze am 1.5.1951 übernahm. Seit dem 1.12.1949 betreute er als Vikar der Gemeinde Vicelin 2 den Stadtteil Hasseldieksdamm kirchlich und kannte bereits die Probleme in dem mit Flüchtlingen und Ausgebombten überbelegten Stadtteil. Die Ausgrenzung des Seelsorgebezirks aus der Gemeinde Vicelin brachte dann 1952 die lange gewünschte Selbständigkeit der Gemeinde im Kirchenkreis Kiel.

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Mit großer Hingabe widmete Pastor Schultze sich den sehr unterschiedlichen sozialen Schichten in diesem Stadtteil, wobei nach seiner eigenen Auffassung Verkündigung, Seelsorge und Unterricht im Mittelpunkt standen. Für die Jugend gab es in Gruppenräumen der beiden Flüchtlingslager Kollhorst und Julienlust zahlreiche An­gebote der Kirche. Hinter der Erlöser­kirche wurde dann später eine Baracke für die Jugend aus problematischen Familien- Verhältnissen aufgestellt, die davon rege Gebrauch machte. Der Pastor selbst bezog eine Kriegsnotwohnung in der Hofholzallee 25c. Sechs Jahre lang fanden die Gottesdienste im kleinen Saal der Gaststätte Waldesruh statt und zusätzlich in den beiden Gemeinschaftsräumen der Flüchtlingslager Julienlust und Kollhorst. Das Engagement von Pastor Schultze er­gab sich auch aus dem festen christlichen Glauben der aus dem deutschen Osten geflo­henen Menschen, der dafür sorgte, daß der Besuch der Gottesdienste weitaus größer war als sonst in Schleswig-Holstein üblich. Er schaffte es mit Hilfe der Einwohner und dem im September 1950 gegründeten Kirchbauverein, den Bau einer eigenen Kirche zu planen und zu verwirklichen, die am 29.9.1957 durch Bischof D. Wilhelm Halfmann als „Erlöserkirche“ eingeweiht wurde. Der Entwurf und die Bauausführung auf dem bereits 1939 vom Kirchengemeindeverband erworbenen Grundstück lag in den Händen der Ar­chitekten Otto Frank und Dr. Fritz Goldammer. Einholung der neuen Glocken und Auf­stellung der neuen Orgel erfolgten 1957 und 1958.

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Damals hatte die Kirchengemeinde 4300 Mitglieder, fast dreimal so viel wie 1939. Spä­ter, von 1964 bis 1971, kamen dann die Einwohner des Neubaugebietes Mettenhof hinzu. Das zahlenmäßige Anwachsen der Gemeinde brachte eine 2., dann 3. und 4. Pfarrstelle für den Gemeindeteil Mettenhof. Sogar eine 5. Pfarrstelle wurde beantragt. In der schwierigen Auseinandersetzung mit den neuen Mettenhofer Pastoren ging es auch um grundsätzliche theologische Fra­gen, in der Pastor Schultze von seiner Auffassung über Gemeindearbeit gegensätzlich zu der Aufteilung der Tätigkeit der 4 Pastoren nach mehr ökonomischen Ge­sichtspunkten (etwa einer für Konfirmation, einer für Taufen, einer für Verkündigung, einer für Seelsorge o­der ähnlich) deutlich Stellung bezog. Hier von konservativer Einstellung gegenüber moderner theologischer zu sprechen, würde dem Streit der Pastoren nicht gerecht. Pastor Schultze erkrankte zeitweilig in dieser auch poli­tischen Umbruchszeit. Es wurde dann als Pastor für Hasseldieksdamm Fritz Ernst Voß am 30.5.1971 eingesetzt, der im weiteren Laufe des Jahres 1971 nach der Verselbständigung der Thomas-Gemeinde Mettenhof zur Gemeinde Russee wechselte. Es folgten dann in der nun verkleinerten Erlöser-Gemeinde viele Pastoren (ab 1.11.1979: Horst Kebe, Vigo Schmidt, Reinhard Polutta, Frau Rebecca Lenz und z.Zt. Jakob Mehlig), die jeweils nicht sehr lange in Hasseldieksdamm dienten.

30 Jahre (Verabschiedung am 30.9.1979) hatte Pastor Schultze die heterogene Hasseldieksdammer Bevölkerung seelsorgerisch betreut und sich um den Zusammenhalt der verschiedenen Schichten dieses Stadtteils bemüht. Den Pastorats-Neubau konnte er 1962 beziehen. Im Dezember 1965 wurde auf dem Kirchengelände das Kindergarten-Gebäude eingeweiht. Ab 1969 kämpfte Pastor Schultze für den Bau eines Gemeindehauses zwischen Kirche und Pastorat mit Hilfe des Kirchbauvereins gelang noch immer das Einsammeln von größeren Spenden. So kam es dann zum endgültigen Abschluß des Ge­samtbauvorhabens durch die Ein­weihung des Gemeindehauses am 18.2.1973, nachdem bereits 1969 ein Gemeindezentrum für Mettenhof im Jütlandring eingerichtet worden war. Nach der Aufteilung der Gemeindefläche in 2 Kirchengemeinden im Jahre 1971 gingen 4 Pfarrstellen nach Mettenhof und nur eine blieb in Hasseldieksdamm. Von 1972 bis 1980 diente ein Laden im Einkaufszentrum Mettenhof als zusätzlicher Mettenhofer Gemeinderaum, bis 1980 das Birgitta- Thomas-Haus als ökumenisches Zentrum, ein Novum für Schleswig-Holstein, eingeweiht wurde. Noch heute ist die Trägerschaft dieses Hauses nicht in einer gemeinsamen Hand, der Kir­chenraum gehört der katholischen Kirche, der Gemeinderaum der evangelischen, im Raum zwischen beiden überschreitet man die Grenze.

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Wie war es in früherer Zeit?

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Seit der Stadtgründung Kiels im Jahre 1242 gehörte die gesamte Umgebung einschließlich der Gebiete Hassee, Russee, Hasseldieksdamm, Kronshagen, Ottendorf, Suchdorf, Wik zur Kirchengemeinde St.Nikolai am Marktplatz in Kiel. Dreihundert Jahre später machte die Reformation in Kiel um das Jahr 1530 alle Bürger im Königreich Dänemark evangelisch-lutherisch, also auch hier bei uns. Nachdem 1867 Kiel preußisch wurde, verzehnfachte sich die Bevölkerung Kiels innerhalb von 50 Jahren, so dass 1908 zur Kirchengemeinde St.Nikolai 130.000 Mitglieder gehörten, die von nur 10 Pastoren betreut wurden. Da wird es wohl nur zu Taufen, Konfirmation, Hochzeiten, Beerdigungen und bei besonderen Festen zu Kirchgängen gekommen sein, allein schon wegen der schwierigen Wegeverhältnisse. Um diesem seelsorgerischen Missstand  abzuhelfen, wurden endlich am 1.Oktober 1908 acht selbständige Kirchengemeinden in Kiel gegründet, die aus der Muttergemeinde St.Nikolai ausgegliedert wurden (St.Jürgen, Heiligengeist, Jakobi, Ansgar, Michaelis, Vicelin, Kiel-Wik, Luther).  

Seit 1908 gehörte Hasseldieksdamm, zunächst als Dorf und ab 1910 als Stadtteil zur Kirchengemeinde Vicelin in der Harmstraße, während Russee und Hassee zur Gemeinde Michaelis und Kronshagen mit Ottendorf  zur Gemeinde Jakobi kamen. Die Vicelinkirche wurde erst 1914-1916 gebaut und 1916 eingeweiht, am 9.April 1945 wurde sie durch Bomben zerstört. Ich selbst wurde 1942 dort in dem ehemaligen Gotteshaus konfirmiert. Nach dem Kriege wurde die Vicelinkirche bereits 1948 als erstes von allen zerstörten Gotteshäusern in Kiel auf dem Fundament mit gesäuberten Steinen der zertrümmerten Kirche als solider Holzbau wieder errichtet. Der Grundstein wurde am 24.4.1949 in Anwesenheit von Oberbürgermeister Andreas Gayk durch Bischof  D. Wilhelm Halfmann gelegt. Die Einweihung dieser ersten Notkirche in Kiel fand am 12.März 1950 statt; sie ist den Spenden von evang.-lutherischen Glaubensbrüdern aus den USA und der Schweiz zu verdanken. Diese Holzkirche ist kein Notbehelf, sondern ein einfacher, klar geordneter Raum in Zelt-Form aus der Kraft der Not, wie der Schweizer Architekt Prof. Otto Bartning diesen Kirchentyp nannte. Diese Vicelinkirche steht noch heute in ihrer schlichten Ausführung. Der Vicelin-Gemeinde gehört noch immer das Haus „Hasselgrund“ mit großem Grundstück, das 1929 der Gemeindepastor Karl Schröder im Süden des Hasseldieksdammer Waldes am Ende des Julienluster Weges erwarb.

Wie kam’s zur Kirchengrenze zwischen Hasseldieksdamm und Mettenhof?

Der Kirchenvorstand H’damm plädierte für eine Grenze entlang der geplanten Autobahntrasse durch Neu-Mettenhof, so dass die Siedlungshäuser in der Svendborger Straße und die Wohnungen im Göteborgring zur KG H’damm gehören sollten. Dadurch wären für H’damm zwei Pfarrstellen (Pastor Schultze und Pastor Voß) in Frage gekommen. Der Kirchenvorstand Mettenhof forderte den Russeer Weg als Grenze. Dadurch wären Alt-Mettenhof und Gebiete westlich des Russeer Weges zur KG Mettenhof gekommen. So hoffte man für Mettenhof drei bzw. vier Pfarrstellen (Pastor Jessen, Pastor Obst, Pastor Benthien, xx) zu erreichen. Die Abstimmungen in den gemeinsamen Kirchenvorstands-Sitzungen brachten keine einvernehmliche Lösung. Ja, es kam sogar in dem Wettstreit zwischen den jungen Mettenhofer und den Hasseldieksdammer Theologen 1971 zum Rücktritt eines langjährigen Kirchenvorstandsmitgliedes (Helmut Pieper, 1950 bis 1971). Der Kirchenkreis und das Landeskirchenamt haben dann entschieden, dass das gesamte Neubaugebiet zur Thomasgemeinde und das Altbaugebiet einschließlich Alt-Mettenhof zur Erlösergemeinde gehören solle. Das hatte zur Folge, dass H’damm sich mit einer Pfarrstelle begnügen musste; diese Tatsache bedauerte sehr der stellvertretende Vorsitzende des H’dammer Kirchenvorstandes Dr. Hellmut Lempert in seinem Abschiedsbrief an den Propsten Bertold Kraft 1972.

Was erlebte der Kirchturm?

Das rote Verblendmauerwerk des 1957 errichteten Turmes zeigte bereits wenige Jahre später stets im Winter Risse und bröckelndes Gestein. Mehrfach sind Ausbesserungen an den Turmwänden vorgenommen worden. Die ausführende Firma Max Giese hat Beschwerde und Prozeß gegen die Ziegelei geführt. Der Sohn des H’dammer Bauunternehmers Hans Dahl hat als junger Auszubildender Rotziegel 1965 in den Turmwänden ausgewechselt. Auch ein wasserabweisender Anstrich hat nicht geholfen. Vier Jahre ist versucht worden, den Turm in seiner ursprünglichen Gestalt auszubessern. Das hat bis zum Winter 1968/69 keinen Erfolg gehabt, so dass der Kirchenvorstand den Antrag stellte, die Turmwände mit Braas-Fassade-Platten (fest und frostbeständig) zu schützen, die spannungsfrei befestigt und für gute Durchlüftung sorgen würden. Die Platten sollten in gebrochenem Weiß geliefert werden. Die Antwort des Kirchenbauamtes wünschte die Plattenfarbe Braun. Dazu die Meinung des Kirchenvorstandes: „Ein in gebrochenem Weiß verblendeter Turm stellt einen begrüßenswerten Kontrast dar. Der Turm ist ein unübersehbarer Bestandteil der Gesamtanlage und sollte daher nicht angeglichen werden, sondern aus der wenig betonten näheren und weiteren Umgebung herausgehoben werden.“ Die Bauabteilung des Landeskirchenamtes lehnte ab und empfahl Betonplatten oder Eternitschiefer. So kam es 1970 dann – auch aus Kostengründen – zu den Eternitschiefer-Platten in der Farbe grau, da nach Meinung des Kirchenvorstandes die Betonplatten in der Oberfläche anfälliger seien und dunkelbraun gefärbt werden sollten. In dieser äußeren Form erblicken wir noch heute unseren Kirchturm.

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Am Schluß eine persönliche Frage:

Sollte nicht nach fast 40jährigem Bestehen des neuen Stadtteils Mettenhof die inzwischen natürlich gewachsene Verzahnung mit dem Stadtteil H’damm auch in evangelisch-kirchlicher Hinsicht eine gemeindliche Gemeinsamkeit möglich sein, wie sie bereits durch Schule, katholische Kirche, Sportverein, Plattdeutschen Krink, Polizei, Post, KVAG, Verwaltung und politische Parteien praktiziert wird?