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Die Straße Waldeck und ihre Vorgeschichte

Autor/Quelle: Peter Martens,  Hasseldieksdammer Rundbrief 1/2008

Linie 7 - Kieler Strassenbahn

Ehem. Grundstück Hofholzallee 30a, ca. 1950

Die Geschichte der kleinen Stichstraße Waldeck fängt eigentlich schon 1950 an. Damals erwarb der Bauunternehmer H.M. das Grundstück Hofholzallee 30a von den beiden Töchtern des verstorbenen Vorbesitzers Will. Vorher hatte sich noch ein Tiergartenbetreiber um den Ankauf dieses Grundstücks bemüht. Dessen Vorhaben scheiterte letztendlich am Widerstand der Stadt Kiel. Grund: Reines Wohngebiet, mögliche Belästigungen des Umfeldes und keine Option auf spätere Flächenerweiterung in Richtung Kleingärten Ziegelkoppel. Danach bot die Stadt Neumünster dem Interessenten eine respektable Fläche an, heute der Tierpark Neumünster.
Zurück zum Grundstück Hofholzallee 30a. Gut 0,7 ha groß, Hinterland mit altem Obstbaum-, Busch- und Blumenbestand, einer nur 4,75 breiten Zufahrt von der Hofholzallee unmittelbar neben dem Mehrfamilienhaus Nr. 30 (sz. Kaufmann Fritz Kistel, heute H.-U. Lohmann), sowie einer zweigeschossigen „Stallscheune“ (vermutlich um 1900 errichtet) bebaut, in der der Milchhändler Hopp Lebensmittel für seinen Laden Hofholzallee 22 (heute Trolle Wolle) lagerte und nebenbei Schafe züchtete.
H.M. begann sehr bald nach Inbesitznahme des Grundstücks mit den Umbauarbeiten der Stallscheune. Aus der Mini-Wohnung wurde Büro, der Stall zu Lkw-Garagen, die große Tenne zur Zimmererwerkstatt und der Boden ein Holzlager. Die Freifläche füllte sich mit damals noch wieder verwertbaren Abbruchmaterialien. Für das expandierende Unternehmen war der Umzug nach H’damm aus beengten Verhältnissen zweier Hinterhöfe in der Weißenburgstraße ein Erfolg. Positiver Nebeneffekt, rd. 50 % der Mitarbeiter kamen aus den Notunterkünften Kollhorst, Julienlust und den vielen bewohnten Kleingärten. Weil das Grundstück insgesamt als „Reines Wohngebiet“ in den städtischen Leitplänen deklariert und eigentlich nicht für gewerbliche Zwecke vorgesehen war, hat H.M. schon 1954 mit dem Liegenschaftsamt der Stadt Kontakt aufgenommen, um durch Arrondierungen mit Flächen der Stadt westlich der kleinen Zufahrt, auf der sich zu der Zeit noch 6 Behelfsheime befanden, Möglichkeiten für eigene Bauambitionen zu schaffen.

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Hofholzallee Nr. 44 (ehem. Post), Behelfsheime, Haus Nr. 30 (von links)

Er wollte immer an das Lohmannsche Haus in gleicher Höhe anbauen und noch bis 1964 das Hinterland mit bis zu 4 Zeilen a 12 Wohnungen bebauen. Das scheiterte aber an der Stadt, weil die wiederum die notwendigen Flächen für eine ordnungsgemäße Erschließung nicht hergeben wollte, selber aber Interesse an dem Erwerb des ganzen H.M. Grundstückes zeigte. H.M. hatte zwischenzeitlich aus persönlichen Gründen sein Geschäft aufgegeben. Die Stallscheune war für eine kurze Zeit an die Fa. Lanz (Traktoren/Landmaschinen) und später für längere Zeit an die Fa. Wacker (Straßenbau-Verdichter/Rüttelplatten) vermietet.
1964 kam die Wende, das Stadtplanungsamt der Stadt leitete ein Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 395 ein, der schon im Jahr 65 rechtskräftig wurde. Auf dieser Grundlage konnte nun zügig mit der Stadt über die notwendigen Grundstücksaustausche und Verschmelzungen mit dem Ziel klarer Zuschnitte aller Bauparzellen verhandelt werden. Der Gemüsestand Witt, die Behelfsheime Hofholzallee 32 bis 42 und die Stallscheune waren kurzfristig beseitigt worden, so dass mit der Planung der neuen Erschließung begonnen werden konnte.
Als Hoch- und Tiefbaumeister hat H.M. sämtliche Vermessungs-, Ausschreibungs- und Bauleitungsarbeiten in die Hand genommen. 1966 konnte die Stadt die Stichstraße beanstandungsfrei übernehmen, sie als öffentliche Straße widmen und ihr einen Namen geben. Bei der Stadt wurde geunkt, sie solle „Hinter den Baracken“ heißen, ernsthaft aber war klar der Name „Waldeck“ als Reminiszenz an die im Krieg zerstörte Großgaststätte Waldeck gegenüber an der Hofholzallee (sh. H’dammer Rundbrief Nr. 9 v. Januar 2003).

Im Mai 1966 waren alle Grundstücke für die im B-Plan ausgewiesenen Einfamilienhäuser Waldeck 1 bis 6 verkauft, ein Jahr danach bebaut und bezogen, genau so wie das 3-geschossige Mehrfamilienhaus Hofholzallee 32 (vh. 30a). Nur das städtische Grundstück zwischen der ehemaligen Post Nr. 44 und dem Waldeck blieb über viele Jahre unbebaut. Grund: Die für dieses Grundstück im B-Pl. 395 ausgewiesene Ladenzeile mit 2 quer gestellten Wohnblöcken ließ sich nicht vermarkten. Mit der 1992 geänderten Ausweisung des Bebauungsplanes konnte eine marktgerechte Nutzung erfolgen. Es entstand ein 3-geschossiger Wohnblock mit insgesamt 18 Eigentumswohnungen. 1993 als „Residenz Waldeck“ später als Neubaueigentumswohnungen in der Hofholzallee vermarktet, ist aber postalisch Waldeck Nr. 8.
Ein Kuriosum sei noch erwähnt. Das in den Anfang der 30’er Jahre erbaute Postgebäude Hofholzallee Nr. 44 musste mit seiner Hauptfront deswegen quergestellt werden, weil sein Eingang an einer aufgrund vorhandener Fluchtlinienpläne geplanten Straße in Richtung Kronshagen orientiert sein sollte. Der Alteigentümer Beckmann hatte dafür bereits Anliegerbeiträge bezahlt und forderte mit Recht seinen Beitrag verzinst von der Stadt zurück. Statt des Geldes bekam er einen 3,20 m breiten Grundstücksstreifen in ganzer Tiefe seines Grundstücks von der Stadt als Äquivalent zurück. So wurde er Anlieger am Waldeck, teilte sein Grundstück und schuf die Parzelle Waldeck Nr. 7, ebenfalls bebaut mit einem Einfamilienhaus.
Zum Schluss: H.M. war mein Vater Heinrich Martens.

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3-geschossiges Mehrfamilienhaus